Dr. Jürgen Hohmann trägt Emmy in ihr neues Leben.

27. März 2017

Am vergangenen Wochenende konnte der Hamburger Tierschutzverein 13 Glücksfellchen sowie drei weiteren Gasthunden1 die Ausreise aus dem überfüllten Hundelager Bucov in Rumänien ermöglichen und sie in ein sicheres Leben nach Deutschland reisen lassen. Unser Mitglied Dr. Jürgen Hohmann berichtet von der Ankunft.

Am Samstag, den 25. März 2017 war es wieder so weit: 13 Hunde aus Rumänien sowie drei Gasthunde sollten in Hamburg eintreffen. Hamburg war diesmal die erste Station der langen Reise, die bis nach Karlsruhe führte. Dies war einerseits gut, da wir am Nachmittag ausladen sollten, andererseits eine Herausforderung, da der Wagen noch komplett belegt war. Im Vorfeld erhielten wir Informationen zum Ablauf und Verhaltensmaßregeln. Dies ist insbesondere hilfreich, wenn man, wie ich, zum ersten Mal dabei ist. Man muss sich vor Augen führen, dass die Ankunft für die Helfer hochemotional ist, aber für die Hunde nach der langen Fahrt auch! Da ist Ruhe die erste Bürgerpflicht, so sehr es einem auch schwer fallen mag, seine Gefühle zu unterdrücken, aber es braucht Konzentration um den Tieren Sicherheit zu vermitteln.

Ich möchte mal zitieren, was ich über die "Rumänen" gelesen habe. Zu Wort kommt Rico, ein Schattenhund aus dem Buch Chefsachen (S.137)2: "...Ich erzähl Dir mal, wie das so ist mit den Hunden in Rumänien ja?.....Aber diesmal höre ich hin und es ist so grauenhaft, was Sie da erzählt von den Hunden in dem Land da. Das kann nicht wahr sein...es ist schrecklich und ich ziehe mir das Handtuch über den Kopf...ich kriege ANGST! Ich starre Sie an und flüstere: 'Sag, dass Du gelogen hast. Menschen machen so was nicht mit Hunden!?' Sie sagt nix....Ich auch nicht...ich gucke raus, zu den Rumänen und verstehe eigentlich nicht, warum die Rumänen sind. Es sind doch  einfach...Hunde...so, wie wir alle hier...!"

Die anvisierte Ankunftszeit, 16:15 Uhr, verzögerte sich und der Transport sollte schließlich um 18:15 Uhr eintreffen. Man macht sich natürlich seine Gedanken, was so kommen wird, betrachtet die Bilder und ist gespannt. Ich selbst habe mich mehrfach, auch in der Nacht, gefragt, wo sie wohl jetzt sind und wie es läuft. Leider war Selima nicht auffindbar, sodass die kleine Vanja ihren Platz einnehmen konnte.

Pünktlich war unser Team zusammen. Sandra Gulla hatte bereits eine vorläufige Belegungsliste erstellt, welche wir noch sortierten, als auch schon der Transporter 15 Minuten früher vor dem Tor stand. Wir beeilten uns, unsere Plätze bei der Entladestelle einzunehmen und die Seitentür ging auf. Hundeaugen blickten uns an und einen Moment lang war es sehr still. Dann fingen unsere Tierheimhunde ein Begrüßungskonzert an und die Arbeit konnte beginnen. Besonders fiel mir die kleine Felicitas auf, welche nach einer schweren Hüft-OP als 13. Gast, hier eine Glückszahl, zu uns kam. Vom ersten Moment an nahm sie Kontakt auf und versuchte uns ihr Pfötchen durch die Gitter zuzustrecken. Auch viele der anderen waren kleinen Liebkosungen nicht abgeneigt.

Ich bin ein Freund von klaren Ansagen und durch die umsichtige Führung unserer Vorsitzenden gab es auch keine Zweifel, wie es zu laufen hatte. Sie war wirklich überall zugleich. Die Impfpässe wurden den ausgelegten Steckbriefen zugeordnet und dann ging es los! Aber mit System! Zunächst sollten die größeren Hunde ausgeladen werden, danach die kleinen. Die Hunde wurden mit den Impfpässen und der dort dokumentierten Transpondernummer kontrolliert und es war der Moment gekommen, Hamburger Boden zu betreten und damit einen ersten Schritt in ein neues Leben zu machen.

Der erste war Bastian. Da ich für ihn das Ausreiseticket finanziert hatte, war ich natürlich besonders gespannt. Als er den Wagen verlassen sollte, sah man, wie unsicher er doch war. Er wollte erst gar nicht aussteigen und dann rührte er sich nicht vom Fleck. Das war natürlich nicht schön, da er ja nun die Tür blockierte. Dann versuchte er unter den Wagen zu kommen. Das wäre noch schlechter gewesen, aber er gab die Tür frei, sodass die sehr couragierte Lolita aussteigen konnte. An ihr nahm er sich dann doch ein Beispiel und folgte ihr. Er nahm auch sehr vorsichtig Kontakt auf und war sanftem Kraulen nicht abgeneigt. Als die ersten Hunde entladen waren, ging es in Richtung neues Zuhause. Bastian ging auch etwas zögerlich mit und nutzte jede Gelegenheit, in der neuen Umgebung Witterung aufzunehmen. Dadurch verloren wir den Kontakt zur Gruppe, welche uns aber recht schnell wieder einfing. In der Zwingeranlage wurden die Hunde gemäß der vorbereiteten Planung zusammengelegt und kurz beobachtet, ob es passt.

Danach ging es wieder zum Transporter, wo neue Herausforderungen warteten. Durch die Beladung waren Hunde für uns mit anderen vermischt, welche weiter fahren sollten. So musste ein Hund aus dem Käfig in eine Box umgeladen werden, um gut an Sanjo zu gelangen. Leider erwies sich Sanjo als sehr ängstlich, sodass wir ihn mit einer Transportbox chauffierten. Dies war auch bei anderen Hunden der Fall. Sandra Gulla hatte die Lage voll im Griff. Sie wusste jeden Hund genau einzuschätzen, machte auch keine Experimente, sondern ließ gleich eine Box bereitstellen, wenn es notwendig war. Es kamen dann auch die kleineren Hunde, welche alle getragen werden konnten. Wichtig dabei ist erstens das Wie: Eine Hand unter der Brust, die andere stützt und hält die Hinterläufe, und das Was: nämlich nicht reden, nicht kraulen, einfach ruhig halten und tragen. Delali sorgte dann dafür, dass ich ein warmes Hosenbein hatte, aber keine Aufregung und meine Hunde zu Hause wollen ja auch wissen, wo ich mich rumgetrieben habe.

Der Transporter war nach knapp zwei Stunden ausgeladen, zur Weiterfahrt bereit und die Fahrer, welche einen tollen, knochenharten Job machen, gingen mit ihrer lebenden Fracht, welche noch nichts von ihrem Glück wissen konnte, wieder auf die Strecke. Unsere guten Wünsche begleiten sie alle!

Die Hunde waren dann auf die Unterkünfte verteilt und wurden beobachtet. Es gab, glaube ich, nur zwei Umsetzungen, was zeigt, wie gut die Einschätzung unserer Organisatorin war. Dabei zeigten sich die Hunde und auch die Gruppen sehr unterschiedlich: Von "ich leg mich in den Korb und schlafe", über "eigentlich sollte man doch noch etwas betüddelt werden", bis zu "ich habe Angst und will am liebsten gar nicht beachtet werden".

Die große Gasthündin Yaska fiel mir besonders auf. Sie saß in der entferntesten Ecke des Zwingers und sah uns, ja ich möchte sagen ohne Hoffnung, an. Gemäß Steckbrief saß sie schon lange im Lager und war dabei sich aufzugeben. Glücklicherweise hat sie bereits eine Pflegestelle bei einer Tierschützerin mit viel Erfahrung, was solche Hunde betrifft.

Ich zitiere noch mal Rico aus Chefsachen (S. 136)2: ".... Bevor ich aber losbrüllen kann, guckt mich das graue Stinktier an, guckt mir mitten in die Augen, mitten rein....und....Ich sehe blanke Angst, ....Todesangst die ganz tief drinnen sitzt, also so hinter den Augen...in der Seele oder so.... Aber sie droht nicht...sondern ich sehe, dass dieses graue Ding....einfach nur leben will...".

Zum Leben gehört auch Essen und das wurde nun verteilt. Dabei blieb immer einer von uns im Zwinger, um zu beobachten, ob alles gut ging. Sandra Gulla war die Schließerin und wir passten auf. Auch hier gab es von "alles weg, wo ist Nachschub", über "schmeckt, reicht" bis "ich rühre das nicht an, ich traue mich nicht". Glücklicherweise gibt es im HTV ja Fachpersonal, welches auch mit ängstlicheren Hunden umzugehen weiß. Die Hunde müssen eben erstmal ankommen und können noch gar nicht wirklich ermessen, was für eine positive Umstellung vor ihnen liegt.

Nachdem die Decken kontrolliert und teilweise gegen trockene saubere ausgetauscht, die Näpfe entfernt und noch ein paar Kuscheleinheiten verteilt waren, wurde es still im Hundehaus. Wir sind dann auch ganz leise gegangen. Nur ein geflüstertes "Schlaft gut, ihr Lieben!" war zu hören, als das Licht ausging.

Hier geht es zu den Fotos der Ankunft.

(Fotos: Detlef Siggelkow)


Die Hunde werden noch eingangsuntersucht und kommen erst nach einer Quarantänezeit von sieben bis zehn Tagen in die Vermittlung. Wenn Sie sich aber bereits jetzt ernsthaft für einen der Hunde interessieren, lesen Sie bitte sorgfältig unsere Hinweise zur Tiervermittlung und senden Sie bitte den dort hinterlegten Bogen zur Selbstauskunft ausgefüllt an das Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Wir melden uns dann gerne bei Ihnen.


1 Das sind Hunde, die bereits ein Zuhause gefunden haben, deren Ankunft aber nach den europäischen Transportbedingungen in einem Tierheim oder einer ähnlichen Einrichtung erfolgen muss, das über eine TRACES-Registrierung verfügt (TRAde Control and Expert System, ein von der EU eingeführtes Datenbanksystem, mit dem der gesamte Tierverkehr innerhalb der EU sowie aus der und in die EU erfasst wird). Zudem haben die Amtsveterinäre, die für die Transporte von ProDogRomania e.V. in Deutschland zuständig sind, zur Auflage gemacht, dass die Hunde mindestens 48 Stunden in unserem Tierheim verbleiben, damit ggf. eine Kontrolle der Hunde durch die örtlichen Amtsveterinäre möglich ist. So ist die Aufnahme von Gasthunden keine große Sache für uns, für den Weg dieser Hunde in ein sicheres Zuhause aber unerlässliche Voraussetzung.

2 Einen herzlichen Gruß von hier an das Tierheim Koblenz. Zitate aus: Kirstin Höfer, "Chefsachen: Rico – ein Leben als Schattenhund im Tierheim" (ISBN 978-3-7345-0089-3).